Was für ein Samstag!
Weltweit fanden am 22.4. Läufe für die freie Wissenschaft und die Demokratie statt – überparteilich und überinstitutionell. Demonstriert wurde für den Wert von Wissenschaft und Forschung, vom Nordkap über Nord-und Südamerika, von Neuseeland, Afrika und Indien und in ganz Europa. In Deutschland gab es in 17 Städten den ScienceMarch – etwa in Berlin, München, Hamburg, Tübingen und natürlich Bonn. Jeder Lauf für sich war ein Erfolg, den größten Zulauf verzeichnete die Demo in Berlin, hier kamen über 11.000 Menschen zum Protest für die Wissenschaft.

Angeführt von Berlins Regierendem Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller, TV-Moderator und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar und Vertretern der großen Wissenschaftsorganisationen und der Präsidenten der Berliner Universitäten führte die Route Unter den Linden entlang zum Brandenburger Tor.

Auf der Abschlusskundgebung machten alle Redner deutlich, dass es dem March for Science weltweit nicht in erster Linie um Protest gegen wissenschaftsfeindliche Regierungsentscheidungen in den USA geht, sondern vor allem um den Stellenwert von Wissenschaft und Forschung in der offenen Demokratie. Daraus ergibt sich folgerichtig die Kritik an Unterdrückung der Wissenschaft, wie sie derzeit in der Türkei, in Ungarn oder auch in Polen zu beobachten ist.

Ranga Yogeshwar, der die Abschlusskundgebung in Berlin moderierte, sagte in seinem Abschluss-Statement: „Mit Besorgnis sehen wir, wie die Basis unserer aufgeklärten Gesellschaft von Einigen im In- und Ausland zur Disposition gestellt wird. Anstelle gesicherter Erkenntnisse werden Vorurteile verbreitet und „alternative Fakten“ konstruiert, um Ängste zu schüren und Stimmung zu machen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Populisten unsere Welt gefährlich vereinfachen, um so unsere Gesellschaft zu spalten.

Die WPK war in Bonn mit dabei, denn hier war an diesem Tag die 32. WPK-Mitgliederversammlung angesetzt. Die WPK unterstützt den „March for Science“ und hatte im Vorfeld dazu aufgerufen, am 22. April auf die Straße zu gehen – und so fanden sich viele WPKler gegen Mittag erst einmal im Bonner Hofgarten ein.

Die Organisatoren, darunter übrigens WPK-Mitglied Veronika Hackenbroch, hatten ihren March in folgendem Gedanken geplant.

Kritisches Denken und fundiertes Urteilen setzt voraus, dass es verlässliche Kriterien gibt, die es erlauben, die Wertigkeit von Informationen einzuordnen. Die gründliche Erforschung unserer Welt und die anschließende Einordnung der Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, ist die Aufgabe von Wissenschaft. Wenn jedoch wissenschaftlich fundierte Tatsachen geleugnet, relativiert oder lediglich „alternativen Fakten“ als gleichwertig gegenübergestellt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen, wird jedem konstruktiven Dialog die Basis entzogen. Da aber der konstruktive Dialog eine elementare Grundlage unserer Demokratie ist, betrifft eine solche Entwicklung nicht nur Wissenschaftler/innen, sondern unsere Gesellschaft als Ganzes. Alle, denen die deutliche Unterscheidung von gesichertem Wissen und persönlicher Meinung nicht gleichgültig ist, sind eingeladen, sich an dieser weltweiten Demonstration für den Wert von Forschung und Wissenschaft zu beteiligen – nicht nur Wissenschaftler/innen!

Insgesamt rund 1500 Forscher, Studenten, Professoren, Politiker, Freunde der Wissenschaft und Journalisten waren gekommen, moderiert wurde der Bonner Protest für die Forschung durch den Meteorologen Karsten Schwanke.

 

Wie es war?

Es gab viele Reden von Uni-Rektoren, Wissenschaftlern und Politikern, eine Kabaretteinlage der Springmäuse aus Bonn, als „grassroot-speaker“ meldete sich unter anderem Nicola Kuhrt für die WPK mit einem Statement zu Wort:

„Wenn Wissenschaft nicht mehr ernstgenommen wird, wenn alternative Fakten genauso zählen wie wissenschaftliche Ergebnisse, dann können wir Wissenschaftsjournalisten genauso einpacken wie die Wissenschaft selbst – und letztlich auch die Gesellschaft.

Dieser Tag ist genauso ein Appell an uns Wissenschaftsjournalisten, über die Zukunft unseres Tuns nachzudenken. Denn wir haben die Chance und die Möglichkeit, den Menschen den Unterschied zwischen guter Forschung und gefühlten Wahrheiten zu erklären. Wir müssen noch viel mehr erklären, immer wieder, was genau gute Forschung ist. Dass es dazu gehört, dass sich Forscher nicht immer gleich einig sind. Wir müssen erklären, wie Forschung funktioniert, wie sie abläuft und was sie kostet.

Wir Wissenschaftsjournalisten müssen die Forschung und auch die Politik immer wieder herausfordern, transparent zu sein. Und an Themen zu forschen, die Menschen wirklich betreffen!

In den vergangenen Tagen und Wochen wurde immer wieder diskutiert, ob es richtig ist, dass Wissenschaftler heute auf die Straße gehen – oder ob sie damit nur den Eindruck in der Öffentlichkeit verstärken, eine Elite zu sein, die nur um den Erhalt ihrer Pfründe besorgt ist.

Ich glaube das nicht – schaut euch um – hier stehen Menschen, die für freie Forschung und Demokratie eintreten. Sie wissen, dass Wissenschaft international ist und es auch bleiben muss. Es heißt gleichsam nicht, dass alles, was die Wissenschaft heute im System ausmacht, perfekt ist.

Es ist toll zu sehen, wie viele Menschen hier in Bonn und auch anderswo in der Welt für die Werte der Wissenschaft einstehen – und so kann der heutige Tag nur der Anfang sein. Für eine freie Wissenschaft, überall auf der Welt. Vielen Dank den Organisatoren, dass wir heute dabei sein dürfen!“


 

Und so gingen die Teilnehmer des ScienceMarch in dem Bewusstsein, dass dieser Tag für die freie Wissenschaft ein guter war – dem aber noch weitere Aktionen folgen müssen.

Die WPK-Mitglieder zog es in die Bundeskunsthalle. Nach dem Besuch der Iran-Ausstellung – die WPK plant in diesem Jahr eine Recherchereise dorthin – standen Vorstands-Wahlen an.

 

 

 

Der alte Vorstand ist auch der neue: Martin Schneider, Claudia Ruby, Arnd Reuning, Nicola Kuhrt und Kathrin Zinkant kandidierten erneut und wurden einstimmig wiedergewählt. Sie wollen die neue Ausrichtung der WPK weiter vorantreiben. Neben Seminaren, Workshops und Recherchereisen geht es darum, die Bedeutung des Wissenschaftsjournalismus auch in der Politik deutlich zu machen und auszuloten, welche alternativen Finanzierungsmöglichkeiten einen hochwertigen Wissenschaftsjournalismus auch in Zukunft möglich machen. Im September findet mit Unterstützung der VolkswagenStiftung erstmals eine Datenjournalismus-Konferenz statt (in Dortmund) und die Wissenswerte zieht es im Dezember nach Darmstadt. Es gibt viel zu tun!

  Foto: Hinnerk Feldwisch