Der 9. Weltkongress wurde seinem Namen gerecht, da tatsächlich mehrere hundert Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten aus aller Welt nach Südkorea kamen, um über aktuelle Strömungen, Probleme und zukünftige Herausforderungen ihrer Arbeits zu debattieren.

Auch einige WPK-Mitglieder bereicherten das Programm mit seinen mehr als 50 Veranstaltungen. Kai Kupferschmidt ließ die Teilnehmer seiner Session darüber streiten, ob Wissenschaftsjournalismus mehr Journalismus und weniger Wissenschaft benötigt, zudem war er Gesprächsteilnehmer eines Podiums über die Ebola-Berichterstattung. Hristio Boytchev hatte Experten aus Asien und Afrika eingeladen, die kontrovers über genmanipuliertes Getreide in beiden Kontinenten debattierten. Die „Biohacker“ Hanno Charisius und Sascha Karberg stellten Projekte zum Thema Citizen Science und Journalismus vor, und Michael Stang stellte in seiner Session zum Thema Crossborder journalism Plattformen, Finanzierungsmöglichkeiten und Kooperation vor, unter anderem Projekte wie Hostwriter, dessen Partner die WPK ist.

In Erinnerung bleiben werden vom Kongress aber wohl eher zwei Dinge: die MERS-Epidemie und der Eklat um die Äußerungen des britischen Nobelpreisträgers Tim Hunt (2001, Physiologie/Medizin).

Der MERS-Ausbruch in Südkorea war insofern spannend, als dass die verschiedenen Erkenntnisse, Herangehensweisen und Interpretationen seitens diverser Länder deutlich wurden. Zudem wurden viele Kolleginnen und Kollegen, die sich eigentlich nur dem Kongress widmen wollten, dann doch kurzfristig von ihren Heimredaktionen in die aktuelle Berichterstattung eingebunden – eine wohl einmalige Situation, dass der WCSJ zeitlich und örtlich exakt inmitten des Ausbruches tagte. Die Veranstalter haben daher auch folgerichtig auf die aktuellen Ereignisse reagiert und kurzfristig ein Panel dazu in das Programm gehoben.

Die frauenfeindlichen Äußerungen von Tim Hunt (Frauen hätten in Laboren nichts zu suchen, da sie sich in einen verliebten, man sich in sie verliebt, und sie bei Kritik sofort losheulten) sorgten mit einiger Verzögerung für einen Eklat mit Folgen: Tim Hunt trat noch während des Kongresses von seiner Honorarprofessor beim University College London zurück.

Die fünf Kongresstage boten beste Gelegenheit zum Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus vielen Nationen. Zudem erbrachten sie die erneut so wichtige Erkenntnis, zumindest für den Autor dieses Textes , dass die eurozentrische beziehungsweise westliche Sichtweise auf aktuelle Themen (Ebola, MERS, soziale Netzwerke, Datenjournalismus etc.) eben nur eine von vielen Wahrheiten ist, und dass manche Lösungen oder Strategien nur in bestimmten Gebieten zum gewünschten Ziel führen können.

In zwei Jahren werden sich viele der diesjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in San Francisco zum 10. WCSJ wiedersehen, das sich bei der Austragung gegen Kopenhagen durchsetzen konnte.

Weitere Informationen auf Twitter unter #WCSJ2015

Michael Stang

einige Teilnehmer des WCSJ 2015 in Seoul