Ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Steffen Augsberg zeigt, dass der Bund aktiv den Transformationsprozess im kriselnden Wissenschaftsjournalismus finanziell unterstützen kann

Der Staat darf den Wissenschaftsjournalismus unter bestimmten Bedingungen finanziell fördern und verstößt dadurch nicht gegen die Verfassung. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das die Wissenschaftspressekonferenz (WPK), Deutschlands Berufsverband für Wissenschaftsjournalist:innen, bei Prof. Dr. Steffen Augsberg (Universität Gießen) in Auftrag gegeben hat. Aus Sicht des Gießener Verfassungsrechtlers ist staatliche Förderung dann begründet, wenn das privatwirtschaftliche Refinanzierungsmodell des Wissenschaftsjournalismus derart beschädigt ist, dass substanzielle Verluste bei Qualität und Ausmaß hochwertiger Wissenschaftsberichterstattung drohen.

Trotz der prinzipiellen Zuständigkeit der Länder für Medienpolitik sieht Prof. Augsberg beim Wissenschaftsjournalismus eine medienpolitische Verantwortung des Bundes. Diese begründet sich über den besonderen Schutzstatus, der Wissenschaft und Journalismus im Grundgesetz zugebilligt wird. Laut Augsberg ist dieser Status ausweitbar auf Journalismus über Wissenschaft. Diesem sei eine „besondere, systemrelevante Mittlerfunktion“ zu bescheinigen. In einer Wissensgesellschaft sind Politik und Öffentlichkeit in einem starken Maße auf die unabhängige und evidenzbasierte Beobachtung und Einordnung des Wissenschaftssystems angewiesen, für die ein ebenso leistungsfähiger wie ausdifferenzierter Wissenschaftsjournalismus vonnöten ist. Sicherzustellen sei, dass keine inhaltliche Einflussnahme durch den Staat erfolgt.

Die WPK verfolgt seit längerem das Ziel, eine staatlich finanzierte Verbrauchsstiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus ins Leben zu rufen. Martin Schneider, Vorstandsvorsitzender der WPK, sieht sich durch das Gutachten in diesem Ziel bestärkt. „Das Gutachten belegt erstmals“, so Schneider, „dass grundsätzliche Vorbehalte gegen staatliches Engagement im Wissenschaftsjournalismus unbegründet sind“. Das Gutachten formuliere den verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem sich staatliche Förderpraktiken zu Gunsten des Wissenschaftsjournalismus verorten lassen. „Das schließt ausdrücklich auch die Idee der Förderstiftung mit ein, deren weitere detaillierte Ausgestaltung die WPK nun mit Hilfe der Vorgaben des Gutachtens in Angriff nehmen wird“, betont Schneider. Entscheidend sei dabei eine vom Geldgeber unabhängige Mittelvergabe.

Die Debatte um staatliche Unterstützung des Journalismus durch die Bundesländer und den Bund hat in jüngerer Zeit an Fahrt aufgenommen. Das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) hatte eine Presseförderung in Höhe von 220 Mio. Euro erwogen. Aus Sicht der WPK krankte diese jedoch daran, dass diese Mittel primär in die etablierten Verlagsstrukturen hätten fließen sollen, digitale Publisher und Innovationförderung im Journalismus aber außen vor gelassen hätten. Das BMWi hat seine Pläne vorerst auf Eis gelegt. „Das birgt die Chance, auch vor dem Hintergrund des Gutachtens von Prof. Augsberg perspektivisch neu zu überlegen, wie eine sinnvolle staatliche Förderung für Journalismus und speziell für den Wissenschaftsjournalismus aussehen kann“, konstatiert Martin Schneider.

Auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird in Kürze ein Gutachten vorstellen, das sich mit den Möglichkeiten staatlicher Medienförderung befasst. 

[PDF] Gutachten „Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Unterstützung des Wissenschaftsjourmalismus“ (Prof. Dr. Steffen Augsberg)

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