25.02.2014

Lieber Herr Professor Olbertz,

als Vorsitzender der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) e.V. habe ich mit großem Interesse vernommen, dass Sie in Deutschland „nicht viel mehr als zehn“ gute Wissenschafts­journalisten ausmachen. Wie Sie sich denken können, herrscht unter unseren Mitgliedern bereits große Spannung, wer denn wohl auf dieser Liste verzeichnet sein wird; daher sehen wir der Aufstellung mit großer Erwartung entgegen.

Im Ernst, lieber Professor Olbertz: Ich nehme an, dass Ihnen diese Äußerung in „Studio Campus“, sagen wir mal, „herausgerutscht“ ist. Leider aber wurde die Sendung ja auch auf rbb-online gestreamt und ist im Internet abrufbar, weswegen ich Ihr Statement nicht unwidersprochen lassen kann. Allein unser Verband hat über 200 Mitglieder, die sich mit großem Engagement dem Wissenschaftsjournalismus widmen. Die von der WPK vorbereitete Konferenz „Wissenswerte“ in Bremen hat jährlich ca. 500 Besucher, und dort werden intensiv all die Fragen diskutiert, die auf der Podiumsdiskussion des rbb ebenfalls anklangen. In Zeiten hochprofessioneller Wissenschafts-PR hat sich der Wissenschafts­journalismus als wichtige Instanz etabliert, die den gesellschaftlich zunehmend wichtiger werdenden Bereich „Wissenschaft“ mit dem gleichen journalistischen Grundverständnis begleitet wie dies die Kollegen aus Politik, Wirtschaft oder Kultur auf ihrem Berichtsgebiet tun: Kritisches Begleiten, Hinterfragen versteckter Interessen, Einordnen der Bedeutung und – ja, natürlich – auch Erklären von häufig komplexen Sachverhalten.

Kann es sein, dass die von Ihnen genannte Zahl „10“ vielleicht eher dem BIAS Ihres individuellen medialen Rezeptionsverhaltens unterliegt? Es mag ja sein, dass Ihnen in den Medien, die Sie regelmäßig verfolgen, zehn Kollegen aufgefallen sind, denen Sie eine außergewöhnliche Qualität bescheinigen. Ich gehe aber davon aus, dass Sie nicht gleichermaßen Süddeutsche Zeitung, FAZ, Stuttgarter Zeitung, Die Zeit, Spiegel, Focus, Stern, Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Die Welt und ihre jeweiligen Online-Ableger verfolgen – um nur die Publikationen mit eigenem Wissenschaftsressort zu nennen. Ganz zu schweigen von Special-Interest Magazinen wie Bild der Wissenschaft oder Spektrum der Wissenschaft, den vielen Wissenschafts-Hörfunksendungen in Deutschlandfunk, DRadio Wissen, WDR5, SWR2, rbb info, BR2 oder auch den zahlreichen Wissenschafts- und Medizinsendungen im Fernsehen von ARD, ZDF und arte. Für diese Publikationen arbeiten viele Hundert gut ausgebildete und engagierte Wissenschafts­journalisten, auf die es recht befremdlich wirkt, dass der allergrößte Teil von ihnen Ihrer Aussage nach keine gute Arbeit machen soll.

Wie gesagt: Ich gehe davon aus – und die glatte Zahl „10“ deutet darauf hin – dass Ihre Einschätzung nicht auf Basis einer signifikanten Evaluation erfolgt ist. Es scheint einen gewissen Kommunikationsbedarf zu geben. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn wir uns im Rahmen eines „Kamingesprächs“ einem besseren Verständnis beider Seiten nähern könnten.

Mit herzlichen Grüßen

Martin Schneider

Wissenschafts-Pressekonferenz e.V.

Erster Vorsitzender

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26.02.2014

Sehr geehrter Herr Schneider,

Sie haben recht, wenn Sie vermuten, dass mir diese Bemerkung unüberlegt ‚herausgerutscht’ist. Das stimmt tatsächlich, und ich würde diese Aussage auch nicht wiederholen. Ich kann aber versuchen, sie aus dem Gesprächskontext heraus zu erklären: Gemeint waren Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, die sich noch im universellen (also übergreifenden, kulturellen, philosophischen oder ‚kategorialen‘) Sinn mit Wissenschaft beschäftigen, etwa als Form der Welterkenntnis und Wahrheitssuche, auch in der Gegenüberstellung zur Kunst oder der fortbestehenden Spannung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Auch hier ist die Zahl 10 natürlich willkürlich gegriffen; ich hatte dabei die Vielzahl von Mitgliedern der Zunft ausgeblendet, die z. B. exemplarisch arbeiten, sich also auf diverse Wissenschaftszweige, die Wissenschaftspolitik oder akademische Institutionen spezialisiert haben und die Entwicklung darin natürlich aufmerksam und sachkundig verfolgen. Das wollte ich gar nicht in Zweifel ziehen, im Gegenteil. Hinter meiner verunglückten Bemerkung lag auch die Absicht, eine Lanze für den Wissenschaftsjournalismus zu brechen, der von manch einer Redaktion in der Tat eher stiefmütterlich behandelt wird. Leider hat es der Gesprächsverlauf auf dem Podium gar nicht zugelassen, die Dinge zu vertiefen oder auch zu relativieren, wie es notwendig gewesen wäre.

Kurzum, ich finde Ihre Reaktion auf meinen ‚Ausrutscher‘ ganz angemessen und widerspreche seinem Inhalt nicht.

Danke! Und ein herzlicher Gruß

Jan-Hendrik Olbertz