Irgendwann 2018: Yves Sciama, Präsident des französischen Verbands von WissenschaftsjournalistInnen, AJSPI, und Volker Stollorz von der WPK unterhalten sich auf einer Konferenz und stellen fest, es gibt allerlei Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Verbänden. Das Verständnis dessen, was es bedeutet, WissenschaftsjournalistIn zu sein, hat z.B. dazu geführt, dass beide Gründungsmitglieder der neuen European Federation for Science Journalism (EFSJ) geworden sind.

Wie wäre es, wenn sich die Mitglieder der beiden Verbände besser kennenlernen würden? Sich gegenseitig über interessante Forschungsprojekte informieren? Sich über die Herausforderungen des Berufs und mögliche Lösungsansätze unterhalten? Wie wäre es mit einem Austausch? Es vergingen einige Monate und Telefonkonferenzen, dann einigte man sich auf Termine und einen groben Rahmen für den Austausch: Zehn deutsche KollegInnen fahren im April nach Paris – wo das April-Wetter vermutlich besser sein würde als in Berlin – und dann, im Mai, besuchen zehn französische KollegInnen die deutsche Hauptstadt. Um die Kosten möglichst gering zu halten, bietet man sich gegenseitige Gastfreundschaft an. Und so ist es gekommen.

Programm Paris 3.- 5. April 2019

    

Eine Bootsfahrt auf der Seine, ein Blick vom Eiffelturm, ein Besuch im Louvre – was für ein herrlicher Gedanke, ein paar Urlaubstage in Paris zu verbringen. Aber eine Recherche-Reise? Diejenigen, die sich als Gruppe der WPK im April auf den Weg machten, waren nicht nur positiv überrascht, sondern auch höchst beeindruckt. Am Institut Curie etwa wurde uns Spitzenforschung der Epigenetikerin Genevieve Almouzni präsentiert, die gemeinsam mit Nikolaus Rajewski vom Max-Delbrück-Zentrum in Berlin das LifeTime-Projekt leitet. Vielseitige Präsentationen zu den Themen der verschiedenen Forschergruppen, zu Mini-Organen des Darms auf einem neuartigen Chip zum Beispiel. Die Laborbesuche gaben noch einen detaillierten Einblick in einzelne Forschungsprojekte. Ebenfalls im Zentrum der französischen Hauptstadt besuchten wir auch das ISIR, dem Institut des Systèmes Intelligents et de Robotique. Der Roboter Baxter mit seinen langen Armen griff dort geschickt nach Bällen, der Forschungsleiter berichtete von Kooperationen, auch mit medizinischen Instituten. Eine Reise in die Vergangenheit bot uns dagegen das Musée du Quai Branly an. Der bekannte Rechtsmediziner Philippe Charlier, neuer wissenschaftlicher Direktor des Museums, präsentierte auf höchst unterhaltsame Weise, wie er gemeinsam mit seinen Kollegen die Knochen und Materialien ihrer Ausstellungsstücke aus aller Welt im Kernspintomogramm und mit einer speziellen 3-D-Kamera untersucht. Was die Reise aber besonders wertvoll machte, war der direkte Austausch mit den französischen KollegInnen. Wenig wussten wir zu Anfang darüber, was unsere französischen KollegInnen derzeit bewegt. Wie steht es um den Wissenschaftsjournalismus in Frankreich? Welche Themen bewegen französische WissenschaftsjournalistInnen gerade? Vor allem aber spürten wir alle das Interesse und die Begeisterung, sich dauerhaft über Entwicklungen und Themen auszutauschen. Sogar gemeinsame, grenzüberschreitende Recherchen könnten auf diese Weise entstehen, um auch den Blick unserer Leser und Leserinnen über die Grenzen Deutschland hinweg zu erweitern. Was für eine Bereicherung! Und ja, eine Bootsfahrt auf der Seine in der Abendsonne durften wir auch erleben. (Astrid Viciano)

    

    

(Foto Credit Paris: Hinnerk Feldwisch-Drentrup)

Sollen deutsche und französische Wissenschaftsjournalisten gemeinsam auf Recherchereise gehen?

„Ja, unbedingt!“ ist zumindest das Fazit der Teilnehmer am ersten deutsch-französischen Austausch von wpk und der französischen Partnerorganisation AJSPI.

Unsere gemeinsame Reise beginnt Anfang April in Paris am Institut Curie. Dort begrüßt uns Geneviève Almouzni, Koordi­na­torin des LifeTime-Projekts des Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS). Wir erfahren, wie in-vitro-Modelle der Darm­schleimhaut aus Zellkulturen entstehen und erleben, wie Zellen aus Kulturen separiert und die Proteine in ihrem Inneren mittels Fluoreszenzmarkierung auf ihrem Weg vom Ort der Synthese bis zu ihrem Bestimmungsort sichtbar gemacht werden. Einblick in den deutschen Part am LifeTime-Projekt erhalten wir einen Monat später am Max Delbrück Center in Berlin. Nikolaus Rajewski, der das Projekt von Seiten der Helmholtz-Gesellschaft (HFG) koordiniert, führt uns hier durch die Labore. Auch hier werden Organoide gezüchtet und molekulare Vorgänge in der einzelnen Zelle untersucht. Bloß, dass es hier um Mini-Gehirne und die Entstehung von Demenz geht.
Die beiden Programmpunkte sind Momentaufnahmen aus einem milliardenschweren EU-Projekt, das von CNRS und HFG koor­diniert wird. Mehr als 50 Forschungs­institutionen aus 18 Ländern erforschen darin die Abläufe in der Zelle – auf molekularer Ebene und über den gesam­ten Lebenszyklus – von der Befruch­tung der einzelnen Eizelle bis zum Tod des Individuums.

Für ein Projekt dieser Größenordnung sind außer Spitzenforschern auch Zukunfts­technologien erforderlich wie die CRISPR/Cas9-Methode, Single Cell Analysen oder eben die Herstellung von Organoiden. Auch deren Entwicklung wird im Rahmen des Projekts vorangetrieben. Lernende Maschinen sollen schließlich die Verarbeitung der riesigen Datenmengen ermöglichen, die dabei anfallen. Ein hochtechnologisiertes Mammut-Unter­fangen, dass sich zumindest im kleinteiligen Europa in dieser Dimension nur in grenzüber­schreitender interdisziplinärer Kooperation bewältigen lässt.

Und ja: Gerade deswegen sollen Journalisten aus Deutschland und Frankreich (und anderswoher) gemeinsam recherchieren. Dass grenzüberschreitende interdisziplinäre Kooperationen beruflich immer wichtiger werden ist offensichtlich. Und privat freuen wir uns ganz einfach auf ein Wiedersehen mit den tollen Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich. (Dina Koletzki)

Programm Berlin 15.- 18. Mai 2019

Selbst viele Berliner wissen nicht, dass sich im Südosten ihrer Stadt in Adlershof ein Teilchenbeschleuniger von Weltrang befindet. Zusammen mit unseren französischen Kollegen hatten wir im Rahmen des WPK-Austauschprogramms die Gelegenheit, uns dieses Gerät namens BESSY II aus der Nähe anzuschauen. Dieser Speicherring am Helmholtz-Zentrum Berlin erreicht zwar lange nicht die hohen Energien wie etwa der große Beschleuniger beim CERN, der für die Suche nach neuen Elementarteilchen optimiert ist.

Besuch BESSY II

Dafür produziert BESSY II hochbrillante Röntgenstrahlung, mit der sich neue Materialien ebenso erforschen lassen wie die Struktur von Proteinen und Medikamenten. Beim Rundgang durch die Labore konnten wir nicht nur einen Blick auf die eindrucksvoll vielfältige Experimentiertechnik werfen und den Kontrollraum besichtigen. Eine Gruppe junger Wissenschaftler zeigte uns auch die Prototypenentwicklung neuartiger Perowskit-Solarzellen, die künftig eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Solarstrom spielen könnten. Ein anderes Forscherteam gab uns Einblick in ein brandneues Labor zur Untersuchung von Dünnschichtmaterialien, wo ebenfalls an der Photovoltaik und verwandten Gebiete gearbeitet wird. In diesem Labor sind Beschichtungs- und Analysestationen durchgängig miteinander unter Hochvakuum miteinander verbunden, was blitzschnelle Untersuchungen an neuartigen Materialien ermöglicht.

Nach einer kleinen Tour durch Adlershof und einer Stärkung besuchte unsere Gruppe dann die Bundesanstalt für Materialforschung, die ganz in der Nähe ansässig ist. Auch dort gaben sich die Wissenschaftler große Mühe, ihre Forschung greifbar und verständlich zu machen. So konnten wir ein kleines, tragbares Gerät in Augenschein nehmen, das in Verbindung mit einem Smartphone etwa Verschmutzungen durch Öl im Gelände nachweisen kann. Ein anderes Projekt drehte sich um fluoreszierende Moleküle zur medizinischen Analytik und Bildgebung. Ungewöhnlich und spektakulär war die Demonstration hüpfender Kugeln, die in einem Behälter chemische Reaktionen durch mechanische Stöße auslösen. Alles in allem ein spannender, wie üblich dicht gepackter und höchst informativer Tag. Der Abend klang dann noch in sehr entspannter Atmosphäre in einem netten Restaurant aus – wobei einige unserer Gäste ein so erstaunlich gutes Deutsch sprachen, dass ich lieber die Gelegenheit ausließ, mein rudimentäres Französisch zu trainieren. Au revoir, mes amis, und à la prochaine! (Dirk Eidemüller)

Besuch beim BAM

(Foto Credit Berlin: Lynda Lich-Knight)