Die Gesundheit der Nation: WPK-Recherchereise Berlin

3.-4. November 2022

 

„Es hat geklappt. Wir haben einen Termin mit Karl Lauterbach.“ Diese erfreuliche Nachricht bot den Anlass, einen schon länger gehegten Plan umzusetzen und auch das Max-Delbrück-Center einen Besuch abzustatten. Sowohl das BIMSB (Berlin Institute for Medical Systems Biology) als auch diverse Institute in Berlin-Buch standen auf dem anderthalbtägigen Programm [Link] dem sich 18 WPK-Mitglieder anmeldeten. BIMSB hatten einige von uns schon mal als Baustelle erlebt. Nun findet dort im aparten Gebäude in Berlin-Mitte spannende Forschung statt. Hier einige Eindrücke und Infos zu den Themen, die wir rundum das Hintergrundgespräch mit Minister Lauterbach erkunden dürften.

Lynda Lich-Knight

 

 

Was hat das Mikrobiom mit künstlicher Intelligenz zu tun?

Referat von Dr. Sofia Forslund, BIMSB

Wer Antibiotika nehmen muss, kennt es. Außer der erwünschten Wirkung auf die zu bekämpfenden Krankheitserreger wirken Antibiotika auch massiv auf die Darmflora. Dr. Sofia Forslund am Max-Dellbrück-Center in Berlin will herausfinden, wie die Bakterien in unserem Darm unsere Gesundheit beeinflussen. Sie ist Biochemikerin und Bioinformatikerin und sucht nach den Faktoren, die auf unser Mikrobiom einwirken. Ein Riesenunterfangen, denn von den unzählig vielen Darmbakterien sind mehr als tausend identifiziert. Bei unserem Besuch im hochmodernen Gebäude des MDC Berlin-Mitte berichtet sie, dass nicht nur Medikamente, sondern auch Rauchen, Ernährung und unser Bewegungsverhalten auf die Darmflora wirken. Auch Krankheiten hinterlassen ihre „Spuren“ im Mikrobiom. Entzündliche Erkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes nennt sie „pathologische Treiber“, die über verschiedene Botenstoffe des Stoffwechsels und des Immunsystems die Bakterien-zusammensetzung verändern.

Die Arbeit von Dr. Forslund besteht darin, dass sie das Mikrobiom von gesunden und kranken Menschen vergleicht. In Zusammenarbeit mit der Charité hat sie in einer Kohortenstudie mehr als 2000 Studienteilnehmer untersucht. Die Ergebnisse sind 2021 in „Nature“ erschienen. Sie stellte fest, dass Medikamente und Medikamenten-Kombinationen die Darmflora sehr stark beeinflussen. Mit dem quantitativen Effekt, dass die Dosis der Medikamente entscheidend ist. Je mehr Medikamente, desto stärker der Einfluss auf das Mikrobiom. Weiterer Faktor ist die Ernährung. Dr. Forslund wollte wissen, ob Fasten den Bluthochdruck senkt. Und fand heraus, dass beim Fasten eine enorme Verschiebung des Mikrobioms stattfindet. Die Veränderung ist so gravierend, dass Bluthochdruckpatienten nach einer dreimonatigen Fastendiät weniger Medikamente brauchen. Diese Ergebnisse bestätigen die positiven Effekte des Fastens aus anderen Studien. Aber Dr.Sofia Forslunds geht weiter. Neue Labormethoden kombiniert mit den Tools der Künstlichen Intelligenz sollen eine schnelle Einordnung der mehr als 1000 Darmbakterien in einer Person erlauben.

Bei unserer anschließenden Laborbesichtigung konnten wir uns von den effizienten Analysemethoden überzeugen. Sie sind Voraussetzung für eine personalisierte Medizin. Die Bioinformatikerin Dr. Sofia Forslund geht sogar noch einen Schritt weiter und möchte eine Software entwickeln, die dabei hilft, gar nicht erst krank zu werden.

Monika Kovacsics

 

Erfassung der zellulären Kommunikation in Gesundheit und Krankheit [AG Kempa / Forbes]

„Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung!“ Mit diesem hippokratischen Rat stellte Stefan Kempa seine Arbeitsgruppe Proteomik / Metabolomik am MDC BIMSB vor.

Ziel der Arbeitsgruppe ist es, mit modernen quantitativen und zeitaufgelösten Verfahren die Dynamik von biochemischen Signalwegen und Netzwerken auf molekularer Ebene zu verstehen. Auf diese Weise können Wechselwirkungen zwischen Stoffwechsel und Genregulation entschlüsselt werden.

Bei der Laborführung wurden einige dieser faszinierenden Methoden demonstriert. Postdoktorand Martin Forbes stellte einen spezifischen Arbeitsablauf namens gepulste stabile Isotopen-aufgelöste Metabolomik (pulsed stable isotope-resolved metabolomics, pSIRM) vor, der in der AG Kempa entwickelt und patentiert wurde. Durch pSIRM ist eine dynamische, zeitaufgelöste quantitative Messung des zentralen Stoffwechsels in In-vitro und In-vivo-Untersuchungen möglich.

Zukünftiges Ziel ist eine möglichst sensitive Analyse von noch kleineren Proben und selteneren Zelluntergruppen bis zur Einzelzellebene.

Literatur:
Pietzke M, Zasada C, Mudrich S, Kempa S. Decoding the dynamics of cellular metabolism and the action of 3-bromopyruvate and 2-deoxyglucose using pulsed stable isotope-resolved metabolomics. Cancer Metab. 2014 Jun 30;2:9. doi: 10.1186/2049-3002-2-9. PMID: 25035808; PMCID: PMC4101711.

 

Wie Salz unser Immunsystem beeinflusst [AG Kempa / Geisberger]

Sabrina Geisberger ist Postdoktorandin in der Arbeitsgruppe von Stefan Kempa am BIMSB. Zu hoher Salzkonsum ist ein Hauptrisikofaktor für kardiovaskuläre und chronisch entzündliche Erkrankungen. Makrophagen, sogenannte Fresszellen, wandern bevorzugt in salzhaltige Gewebe ein. Sie entwickeln sich aus Monozyten, um Bakterien, Viren oder Toxine zu vernichten.

In einem Projekt verglich die Forscherin Blutwerte männlicher Probanden, die zwei Wochen lang verstärkt Kochsalz konsumierten mit Testpersonen, die eine einzige Pizza gegessen hatten.

Bereits der Verzehr einer Pizza führte zur Abnahme des mitochondrialen Sauerstoffverbrauchs in den isolierten Monozyten. Dies führte zur Verschiebung der Fresszellen in Richtung eines entzündlichen Phänotyps. Glücklicherweise waren diese Veränderungen transient und normalisierten sich, sobald sich der Natriumspiegel im Blut nach etwa acht Stunden erholt hatte.

Die Pizza enthielt zehn Gramm Salz. Das entspricht ungefähr dem täglichen Durchschnittskonsum in Deutschland. Optimal wären maximal sechs Gramm pro Tag.

Unter Beachtung des Optimums sollte das anschließende Abendessen der WPK in einer Pizzeria somit keine dauerhaften Schäden hinterlassen haben.

Literatur:
Geisberger S, Bartolomaeus H, Neubert P, Willebrand R, Zasada C, Bartolomaeus T, McParland V, Swinnen D, Geuzens A, Maifeld A, Krampert L, Vogl M, Mähler A, Wilck N, Markó L, Tilic E, Forslund SK, Binger KJ, Stegbauer J, Dechend R, Kleinewietfeld M, Jantsch J, Kempa S, Müller DN. Salt Transiently Inhibits Mitochondrial Energetics in Mononuclear Phagocytes. Circulation. 2021 Jul 13;144(2):144-158. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.120.052788. Epub 2021 Apr 28. Erratum in: Circulation. 2021 Jul 13;144(2):e37. PMID: 33906377; PMCID: PMC8270232.


Karin Schumacher

 

 

Mit Goldhamstern gegen COVID-19

Was die Untersuchung von Einzelzellen zur Entwicklung neuer COVID-Therapien beitragen kann, erläuterte Markus Landthaler. Der Grundlagenforscher leitet die Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und Posttranskriptionale Regulation“ und koordiniert die Forschung zu SARS-CoV-2 am MDC.

Im „Landthaler Lab“ werden hochmoderne Sequenzierverfahren und Analysemethoden eingesetzt, um die Veränderungen einzelner Zellen des Immunsystems, des Lungengewebes und in Blutgefäßen im Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu analysieren und therapeutische Ansatzpunkte zu finden. Dank einer langjährigen Kooperation mit dem Charité-Virologen Christian Drosten stand den MDC-Forscherinnen und Forschern von Pandemiebeginn an infiziertes Lungengewebe von Betroffenen zur Verfügung, um etwa Endothelzellen, Makrophagen und neutrophile Zellen unter die Lupe zu nehmen. „Die vielleicht wichtigsten Veränderungen stellten wir bei Endothelzellen der Lunge fest“, berichtete Markus Landthaler: „Bei schwerer Erkrankung verlieren sie ihre Barrierefunktion, wodurch es letztlich zum Lungenversagen kommt.“ Anders die neutrophilen Zellen: Sie zeigen eine stärkere Aktivierung, die sich durch den entzündungshemmenden Wirkstoff Dexamethason unterbinden lässt – „eine sehr hilfreiche Therapie für Patienten, die beatmet werden“, sagte Landthaler.

Um darüber hinaus Lungenareale zu untersuchen, die von COVID-19-Erkrankten nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen, und um Einblicke in die Frühphase der Krankheit zu erhalten, war das Forschungsteam auf der Suche nach einem geeigneten Tiermodell – und landete beim Hamster. Die Tiere infizieren sich mit denselben Virusvarianten wie Menschen und entwickeln ähnliche Symptome. Besonders interessant: Während die Krankheit bei Goldhamstern in der Regel einen moderaten Verlauf nimmt, endet sie für die Hälfte der Zwerghamster tödlich. Man wisse, dass die schnelle Erholung von Goldhamstern mit einer guten T-Zell-Antwort zu tun habe, sagte Markus Landthaler. Jetzt gelte es, die molekularen Unterschiede zwischen leichten und schweren Krankheitsverläufen im Detail zu ermitteln und antivirale Substanzen am Modell zu testen. Doch wie steht es um die Übertragbarkeit der Tierversuchsergebnisse auf den Menschen? Das sei noch unklar, antwortete der MDC-Forscher, erste Hinweise seien aber durchaus ermutigend.

Lilo Berg

 

 

Abwasseranalyse, Altuna Akalin, und Abwassermonitoring Uta Böckelmann

Noch eben die Wettervorhersage checken, bevor man aus dem Haus geht – vielleicht ist es ja besser, einen Regenschirm mitzunehmen. Werden wir in Zukunft in gleicher Art online auch nachsehen, welche Viren gerade im Abwasser kursieren, um zu entscheiden, ob wir für den Stadtbummel eine FFP2-Maske einstecken? Diese Frage stand bei den Vorträgen zur Abwasseranalyse und -monitoring im Raum, vorgetragen von Bioinformatiker Altuna Akalin vom MDC Berlin und von Mikrobiologin Uta Böckelmann von den Berliner Wasserbetrieben.

Altuna Akalin entwickelt Software für Omics-Analysen, die beispielsweise Sars-CoV-2-Wellen rechtzeitig vorhersagen können. Diese erfassen auch, wenn sich neue Varianten wie Delta und Omikron ausbreiten. Solche Abwasseranalysen auf das Erbmaterial von Krankheitserregern sind an sich nichts Neues – Israel etablierte bereits 1988, nach einem Polio-Ausbruch, ein solches Monitoring. Covid-19 hat dieser Forschung aber neuen Schwung gegeben. Akalins Ausführungen zufolge gibt es inzwischen über 3000 Stellen in 67 Ländern, die eine Abwasserüberwachung auf Sars-CoV-2 etabliert haben – weit vorne sind die USA, die Niederlande und das Vereinigte Königreich; Deutschland liegt hier zurück.

Ein deutsches Positivbeispiel sind die Berliner Wasserbetriebe. Deren Leiterin Uta Böckelmann hat bereits Anfang 2021 ein Sars-CoV-2-Monitoring ins Leben gerufen. „Zur Toilette geht jeder, zum Test aber nicht“, sagt sie. Es entstand die Hygiene-Monitoring-Plattform (Hymo) für Trink- und Abwasser, die auch Daten zu anderen Krankheitserregern sammelt – zu Legionellen im Trinkwasser beispielsweise. Auch Daten zu antibiotikaresistenten Bakterien ließen sich hier erfassen. Werden Proben aus unterschiedlichen Klärwerkszuläufen analysiert, ist es sogar möglich, die Ergebnisse ortsaufgelöst nach den Einzugsgebieten darzustellen. Die Plattform ist allerdings noch nicht öffentlich – davon ist sie laut Böckelmann – „noch weit entfernt“.

Die Daten, die Uta Böckelmann zum Sars-CoV-2-Monitoring präsentierte, bestätigen, dass es sich dabei tatsächlich um ein ideales Frühwarnsystem handelt. Im Vergleich mit den Daten vom Robert-Koch-Institut hatten die Coronawellen im Abwasser jeweils einen Vorlauf von 7 bis 10 Tagen, abhängig von der Variante. Auch das Abwasser vom Flughafen BER wird übrigens regelmäßig beprobt – allerdings hat man dort laut Böckelmann bisher „nichts Spannendes gesehen“.

Brigitte Osterath

 


Der Alien aus dem Meer

Zugeschaltet per Zoom aus Polen stellte uns Nikolaus Rajwesky die neuesten Studienergebnisse seines Teams vor, die in Kürze in Science Advances veröffentlicht werden. Sie gingen der Frage nach, wieso der Oktopus als einziges wirbelloses Tier eine sehr hohe Intelligenz aufweist (wir erinnern uns, dass Oktopusse selbst als Orakel dienen….), obwohl er evolutionär extrem weit von den intelligenten Wirbeltieren entfernt ist. Rajewskys Team scheint die Antwort in der Anzahl von microRNA gefunden zu haben. Ähnlich wie in Gehirnzellen bei Primaten, lassen sich beim Oktopus auffällig viele microRNAs finden. Sortiert man Organismen anhand Ihrer Intelligenz, so findet man eine Korrelation mit der Anzahl der microRNAs in den Zellen. Obwohl die Daten der Forschenden nur eine Korrelation zwischen Intelligenz und microRNAs aufzeigen können, so schien Herr Rajewsky dennoch überzeugt, dass es hier einen kausalen Zusammenhang geben müsse. Ich bin mir sicher, er wird uns diesen noch präsentieren.

Annegret Burkert

 

 

Post-Covid-Syndrom Ambulanz im Studienzentrum von MDC/Charité, Berlin Buch

Das Chronische Fatigue Syndrom (CFS) als Folge diverser Infektionskrankheiten war den Wissenschaftler*innen des Charité Fatigue Centrum (CFC) bereits bekannt. Seit 2020 widmen sie ihre Expertise auch der Erforschung von derart Langzeitfolgen durch SARS-CoV2. Neuroimmunologin Judith Bellmann-Strobl und Kardiologin Jeanette Schütz-Menger stellten uns ihre bisherigen Erkenntnisse vor:

Weit entfernt von einer eingebildeten Krankheit betreffe die schwerwiegende körperliche Erkrankung insbesondere junge Frauen aus medizinischen oder pädagogischen Bereichen, die Corona selbst eher komplikationslos durchmachten. Wesentlich für die dann auftauchende Monate bis Jahre währende bleierne Dauermüdigkeit seien Belastungsintoleranz, Kognitionsstörungen und ein typischer Schwindel nach Aufsetzen oder Aufstehen.

Noch ungeklärt sind die genauen Krankheitsmechanismen. Ein Autoimmun-Geschehen gelte als wahrscheinlich, eine anhaltende geringgradige Entzündung im Körper sei auffällig, so die Forscherinnen. Die Symptomvielfalt komme von Fehlfunktionen der inneren Blutgefäßwand. Schütz-Menger erwähnte, dass Covid keine schwere Einschränkung der Herzleistung hervorrufe.

Derzeit fehle eine effektive Therapie des CFS nach Covid. Behandelt werde symptomatisch. Ein Aktivieren der Patient*innen während der Reha dürfe ausdrücklich nur bis zur Belastungsgrenze erfolgen. Bellmann-Strobl merkt potenziell immense sozialmedizinische Folgen an, wobei Statistiken aus der Post-Covid-Ambulanz, die vorwiegend Schwerstbetroffene versorge, mit Vorsicht zu betrachten seien.

Mehr Einsichten erhoffen sich die Forscherinnen durch weiterführende Studien: Anfang Oktober 2022 startete eine BMBF-Finanzierung zum Post-Covid-Syndrom an Charité und MDC. Derweil empfehlen die Expertinnen auch jungen Menschen, sich durch Impfung und mit FFP2-Masken vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen.

Karin E. Lason

 

 

Spitzenforschung JWD

Im Bus fuhren wir nach JWD – janz weit draußen, wie der Berliner und die Berlinerin gerne sagen. Dort, in Buch, direkt an der Grenze zu Brandenburg und gegenüber von einem Krankenhaus, erstreckt sich der Campus Berlin Buch, eine Mischung aus alten und sehr modernen Gebäuden. Im Max Dellbrück Zentrum hörten wir u.a. einen Vortrag über das Herz, genauer gesagt: seine Zellen. Wie man sich schon denken kann, gilt auch fürs Herz: Je mehr darüber erforscht wird, desto komplizierter wird es. Früher bestimmte mit Hilfe eines Mikroskops, was für eine Art Herzzelle man da vor sich hat. Jetzt zeigt sich: Selbst Zellen, die gleich aussehen, können sich so stark unterscheiden, dass man eigentlich von verschiedenen Subtypen sprechen muss. Diese Unterschiede zeigen sich, wenn man sich die RNA Expression anguckt – möglichst für jede Zelle einzeln. Das ist möglich durch eine besondere, neue Methode, bei der Kügelchen an eine Zelle gekoppelt werden, dann benötigt man noch Öl und ein winziges Tunnelsystem. Das Verfahren genauer zu erklären, würde diesen Bericht sprengen – also bitte einfach glauben, dass das funktioniert. Mit dieser Methode wird ein Atlas des gesunden menschlichen Herzens erstellt, der die verschiedenen Zelltypen und auch Sub-Zelltypen darstellt. Wir waren so beeindruckt, dass wir auch in der folgenden Snack Pause die Wissenschaftler mit Fragen beschäftigten – die sie geduldig beantworteten. Ein großes Dankeschön dafür!

Christina Sartori

 

 

T-Knife, Dr. Julia Bluhm, Professor Thomas Blandkenstein

„T-Knife“ steht für eine Immuntherapie gegen Krebs mit Hilfe von T-Zellen. Das Problem: T-Zellen erkennen zwar etwa infizierte Zellen, registrieren die Oberfläche von Tumorzellen aber nicht als fremd. T-Knife will T-Zellen mit einem neuen T-Zell-Rezeptor versehen. Man spricht von TCR-engineered T cells (TCR T).

T-Knife hat eine transgene Maus entwickelt („Transgene HuTCR-Mausplattform“). Damit soll für einzelne Tumorarten (zunächst für feste Tumore) eine spezielle Zelllinie produziert werden, die diesen Tumor bekämpft. Diese Zellbibliothek wäre dann vorrätig und für jeden Patienten mit dem entsprechenden Tumor verfügbar. Das würde im konkreten Fall 2-4 Wochen (aus der Erinnerung zitiert) dauern. T-Knife ist keine individualisierte Medizin, aber eine tumorspezifische Behandlung!

In der anschließenden Diskussion ging es allerdings vor allem um Geld: T-Knife ist eine Ausgründung des MDC in Berlin-Buch. Die neuen Investoren kommen u.a. aus den USA (aber etwa auch Qatar Investment Authority ist beteiligt). Gibt T-Knife damit eine sehr vielversprechende Technologie aus (deutschen) Händen in die USA?

Im Oktober verkündete T-Knife die ersten Studien an Patienten mit „MAGE-A1 positive solid tumors“ – einem Tumorantigen. Grundsätzlich kann die Therapie aber gegen jede Art von Tumor eingesetzt werden!

Magnus Heier

 

 

Myopax – Neuer Therapieansatz für Muskeldystrophien

Wer neue Therapieansätze für seltene Erkrankungen entwickelt, hat es oft schwer, Investoren zu finden. Wenn die Neurologin Simone Spuler vom Max Delbrück Center in Berlin-Buch über ihr Startup „Myopax“ spricht, strahlt sie trotzdem gelassene Zuversicht aus. Das hat auch damit zu tun, dass es ihr ganz offenbar liegt, ihre Forschung mit großer Souveränität und auffallend angenehmer Stimmlage zu erklären. Vor allem aber ist es der doppelte Ansatz, der erfolgversprechend ist: Es geht um Heilung für Patienten mit Muskeldystrophien, also erblich bedingtem Muskelabbau – aber auch andere Patienten könnten profitieren. Simone Spuler und ihr Team verbinden dazu Gen- und Zelltherapie, durch die Anzüchtung von Muskelstammzellen und den Einsatz einer mRNA-basierten Genschere.

Einerseits sollen verletzte Muskeln so kurzfristig repariert werden. Einen Nutzen davon haben könnten auch potenziell zahlungskräftige Patienten: Leistungssportler beispielsweise oder Menschen mit Beckenbodenschwäche. Dazu werden per Biopsie entnommene Muskelstammzellen tagelang heruntergekühlt, um sie vor vorzeitiger Alterung zu bewahren. Herangezüchteten Zellen können dann bei Muskelverletzungen lokal injiziert werden, Muskelfasern wachsen nach und bilden neue Muskelstammzellen.

Vor allem aber könnte den rund 400 000 Menschen in Deutschland geholfen werden, die unter einer progressiven, erblich bedingten Muskelerkrankung leiden. Dazu soll mittels Genschere (Adenine Base Editor) die Mutation beseitigt werden, die für die jeweilige Muskeldystrophie verantwortlich ist. „Myopax“ bedient sich dabei der mRNA-Technologie – die Gentherapie kann dadurch besonders zielgenau Reparaturen vornehmen. Auch deshalb spricht Simone Spuler strenggenommen eher von einer Pinzette als von einer Schere.

Was die Krankheit für die Patienten bedeutet, weiß die Neurologin genau: Mehr als 2500 Menschen werden in der Hochschulambulanz des Experimental and Clinical Research Centers in Berlin behandelt. Viele von ihnen konnten so zur Entwicklung des neuen Therapieansatzes beitragen – und können selbst Nutznießer sein. Im nächsten Jahr soll die erste klinische Studie beginnen.

Korinna Hennig