Erdgas aus, Erdwärme an? Geothermie und Lithiumgewinnung

WPK-Recherchereise nach Karlsruhe und Umgebung, 19.-22.03.2023

Um Antworten auf diese Frage zu finden, machten sich im März 2023 zwölf WPK-Mitglieder auf Anregung vom Verein RohstoffWissen! auf den Weg nach Süddeutschland. Im Raum Karlsruhe, Bruchsal und Graben-Neudorf standen Forschung und Praxis rund um Geothermie, Lithium-Gewinnung und Energie im Mittelpunkt (Link zum Programm). Wir besuchten die Lithium-Gewinnungsanlage in Bruchsal, Vulcan Energy, eine laufende Bohrung von Deutscher Erdwärme sowie verschiedene Projekte beim KIT, wo ein Kamingespräch mit KIT-Präsident Hanselka auch auf dem Programm stand.

Vor dem Hintergrund, wie umstritten die Tiefengeothermie in der Region ist, luden wir neben dem Leiter des Landesforschungszentrums für Geothermie und einer Wissenschaftlerin vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, beide KIT, Vertreter zweier Bürgerinitiativen zu einem Austausch ein. Was wir nicht nur an dem Abend, sondern auch im Laufe der Kurzreise erfahren und erlebt haben, erfahrt ihr im Folgenden.

Unser Dank an alle Beteiligten sowie an RohstoffWissen! für seine Unterstützung!

Lynda Lich-Knight

 

WPK-Mitglieder beim Geothermiekraftwerk in Bruchsal

 

Lithium aus warmen Tiefenwasser – Pilotprojekt Bruchsal (EnBW/KIT)

Mit dem Boom der Elektromobilität wird das Element Lithium für die Batterien immer begehrter. Neben Australien und Südamerika bieten sich auch heimische Quellen im Oberrheingraben an, an denen aktuell erste Pilotprojekte betrieben werden. Denn das warme Tiefenwasser, das bisher vom Energiekonzern EnBW für geothermisches Heizen und auch zur Stromerzeugung genutzt wird, enthält 150 Milligramm Lithium pro Liter.

Im Geothermiekraftwerk in Bruchsal

Das an der Oberfläche eher unscheinbare Geothermiekraftwerk in Bruchsal fördert 126 Grad Celsius heißes Wasser. Gemeinsam mit Forschern um Jochen Kolb vom Karlsruhe Institut für Technologie KIT wird diesem Wasser nun auch das enthaltene Lithium entzogen. „Wir holen etwa 70 Prozent des Lithiums aus der Sole heraus“, sagt Thomas Kölbel von EnBW.  Dazu sammelt ein Adsorptionsmittel die Lithium-Ionen im Durchflussverfahren ein. Diese werden danach mit Salzsäure behandelt, um batteriefähiges Lithiumsalz zu gewinnen.

 

Bisher ist die Pilotanlage auf einen Wasserdurchfluss von 1,5 Litern pro Sekunde ausgelegt, das Kraftwerk selbst fördert jedoch 30 Liter pro Sekunde. Die Lithiumgewinnung kann also noch ausgebaut werden. Bis zu drei Gramm pro Sekunde wären möglich. Im Jahr kämen somit im Vollbetrieb rund 95 Tonnen Lithium zusammen oder rund 500 Tonnen Lithiumcarbonat. Somit könne in Bruchsal genug Lithium für etwa 20 000 Autobatterien pro Jahr gewonnen werden.

Jan Oliver Löfken

 

Auf dem Bohrplatz

Der Bohrturm lugt bereits zwischen den Bäumen hervor, bevor wir auf den Bohrplatz Deutschen Erdwärme GmbH einfahren. Am Ortsrand von Graben-Neudorf, nördlich von Karlsruhe, bohrt das Unternehmen nach Thermalwasser. Der 38 Meter hohe Bohrturm steht auf einem Gelände so groß wie zwei Fußballfeldern, eingezwängt zwischen zwei Bundesstraßen und einer Bahnlinie.

Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als „größter privater Entwickler und Betreiber von Erdwärmeanlagen“. Tatsächlich ist die hiesige Bohrung aber die erste des Unternehmens, mehrere weitere sind geplant. In Graben-Neudorf arbeitet sich der Bohrer 3800 Meter tief in eine Störungszone vor, also einen langgestreckten Riss im Gestein in einem Sandstein, der über 160 Grad Celsius heißes Thermalwasser führen soll. Nicht immer läuft alles nach Plan: Vor wenigen Wochen musste eine über 900 Meter lange Rohrstrecke neu gebohrt werden. Nun soll das erste von zwei geplanten Löchern bis zum Sommer fertiggestellt. Das später zu errichtende Kraftwerk soll zunächst nur Strom liefern. Nach Errichtung eines Fernwärmenetzes soll auch Wärme eingespeist werden.

Karl Urban

Gruppenbild Geothermie-Recherchereise

 

Podiumsdiskussion zum Thema Geothermie

Am ersten Tag hat unsere Reisegruppe ein Geothermiekraftwerk und eine Bohrungsstelle besucht. Am Abend dann sollte deutlich werden, wie umstritten die Tiefengeothermie in der Region ist. Wir trafen uns zu einer Diskussion mit zwei Vertretern von Bürgerinitiativen, Thomas Hans von der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie Karlsruhe und Werner Müller von der BI Geothermie Landau, ein eingetragener Verein. Frank Schilling, Professor am KIT und Leiter des Landesforschungszentrums für Geothermie und Katharina Schätzler vom KIT waren ebenfalls anwesend.

Werner Müller wohnt in Landau und war 2009 von zwei Erdbeben betroffen. Die ‚seismischen Ereignisse‘ erreichten eine Stärke von 2,7 und 2,4 auf der Richterskala. Nähere Untersuchungen belegten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Landauer Geothermiekraftwerks und den Beben. Herr Müller sagte, die Schäden an seinem Haus und verschiedenen anderen Gebäuden in Landau seien versicherungsrechtlich noch nicht vollständig aufgearbeitet. Nicht nur wegen möglicher Erdbeben, auch wegen des Risikos der Grundwasserverseuchung lehnt Werner Müller Tiefengeothermie ab.

Zusammen mit Thomas Hans bemängelte er außerdem Intransparenz, mangelnde Kommunikation und Vorspiegelung falscher Tatsachen der Unternehmen.

Eine sachliche Diskussion war nur teilweise möglich – dafür waren beide Seiten verantwortlich. Eigentlich gehört es zum Handwerkszeug von Journalistinnen und Journalisten, die Position eines Gesprächspartners zu erfragen und sie erst dann kritisch zu hinterfragen. Diese journalistischen Basics wurden an diesem Abend teilweise völlig ignoriert, Sorge und Skepsis der BI-Vertreter wurden mit Schlagwörtern kommentiert, ihnen wurde ‚German Angst‘ vorgeworfen. Sie wurden aufgefordert, sich die Projekte doch nur mal anzusehen, dann würden sie schon einsehen, dass ihre Einwände gegenstandlos seien.

Werner Müller reagierte sichtlich verärgert und konterte mit unsachlichen Vorwürfen in unsere Richtung: Wir gingen ‚der Propaganda der Unternehmen auf den Leim‘. Auch von ‚Fake News‘ war die Rede.

Und so wird diese Diskussion sicher nicht ins Handbuch der gelingenden Kommunikation eingehen.

Die folgenden Fragen und halbwegs gesicherten Erkenntnisse konnten wir trotz allem aus der Diskussion und dem anschließenden gemeinsamen Abendessen mitnehmen:

  • Zwischen Wissenschaftler Frank Schilling und BI-Vertreter Werner Müller ist unstrittig, dass die Beben 2009 in Landau durch eine Druckerhöhung bei der Wasserinjektion hervorgerufen wurden.
  • Die seismische Überwachung ist seit den Ereignissen in Landau Standard bei geothermischen Bohrungsprojekten.
  • Zitat Werner Müller: „Tiefe Geothermie im Rheingraben ist grober Unfug“. Bei genauerem Hinsehen scheint sich das Misstrauen der Bürgerinitiativen aber besonders gegen rein privatwirtschaftliche Unternehmen zu richten. Das Geothermie-Kraftwerk in Bruchsal (seit 2009 in Betrieb) funktioniert im Vergleich zu den Bohrungen von Vulcan bzw. der Deutschen Erdwärme mit einer deutlich geringeren Bohrtiefe von etwa 2.500 Metern – und das bisher unfallfrei. Der Betreiber ist die EnBW (zu knapp 50 Prozent im Besitz des Landes Baden-Württemberg).
  • Katharina Schätzler vom KIT hat im Projekt GECKO die Erfahrung gemacht, dass konstruktive Dialoge mit kritischen Bürgerinnen und Bürgern bei der Planung von Geothermieprojekten durchaus möglich sind.
  • Frank Schilling ist der Meinung, dass Projekte nur so weit umgesetzt werden sollten, wie sie von der Gesellschaft auch mitgetragen werden. Wenn geringere Bohrtiefen von Bürgerinitiativen eher akzeptiert werden, könnten sie eine Kompromisslösung darstellen. Dazu müsste man sich von den oberflächlichen Schlagworten aber in die Tiefen der sachlichen Argumentation, Kontroverse und Abwägung von Risken und Benefits begeben.

Das Podium im Überblick: Thomas Hans, BI gegen Tiefengeothermie Karlsruhe; Werner Müller, Vorsitzender der Bürgerinitiative Geothermie Landau e.V.; Professor Dr. Frank Schilling, KIT; Dr. Katharina Schätzler, KIT; Karl Urban (Moderation)

Grit Eggerichs

 

Energiesystem der Zukunft: große Fragen, wenig Zeit

Die Fragen nach dem Energiesystem der Zukunft und die Suche der Helmholtz-Gemeinschaft nach Antworten darauf stehen im Mittelpunkt des Eröffnungsvortrags für den Programmpunkt „Energy Lab“. Flüssigmetallspeicher, Sektorkopplung, Power-to-X, Wasserstoffprojekte – hier wird daran gearbeitet, die Energie von Sonne und Wind nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu speichern und für den Wärmesektor, den Verkehr und die Industrie bereitzustellen. Das Energy Lab, erfahren wir, sei dafür das Herzstück hier am Campus. Rund 30 Millionen Euro seien in die großflächige Forschungsinfrastruktur geflossen. Und es soll noch weiter investiert werden.

Das wollen wir uns live anschauen. Doch bevor wir den Rufen des Labs folgen, statten wir MoNiKa einen Besuch ab. Die Schönheit, die sich hinter diesem Namen verbirgt, besteht aus mehreren Containern, vollgepackt mit Technik. Modularer Niedrigtemperaturkreislauf Karlsruhe lautet ihr korrekter Name. Hier wird daran geforscht, wie sich aus geothermischen Quellen Strom erzeugen lässt. Der Prozess dahinter ist an sich sehr gut verstanden. Doch leidet seine Effizienz bei niedrigen Temperaturen. In klassischen Kraftwerken ist das kein Problem. Bei Geothermalquellen schon. Der Forschungsbedarf ist deshalb hoch. Neugierig umkreisen wir MoNiKas Container. Luken unter ihre metallene Schale. Lauschen den Erklärungen ihrer Forscher. Und steigen letztendlich eine Metallleiter empor, um einen Blick in ihr Herz zu werfen: den Turbinenraum.

Dann müssen wir auch schon weiter. Die Zeit drängt. Denn zu unserem nächsten Termin geht es quer durch die Stadt. Da dürfen wir nicht bummeln. Doch wir wollen nicht gehen, ohne zumindest einen Blick auf das Energy Lab zu werfen. Das ist nun zum Greifen nahe. Die drei Einfamilienhäuser auf dem Weg dorthin wirken bei all den Labors, Werkstätten und Industrieanlagen ein wenig deplatziert. Das sind Modellhäuser, erfahren wir. Ein jedes mit einer anderen Heizmethode ausgestattet. Einmal mit Wärmepumpe, einmal mit rein elektrischer Heizung und einmal mit einer Brennstoffzelle. Der tägliche Lastgang, sagt man uns, würde hier sekundengenau protokolliert. Auch das gehört dazu, wenn man das Energiesystem der Zukunft ganzheitlich betrachten will.

Jetzt sind es nur noch ein paar Schritte. Zu unserer Linken erhaschen wir einen flüchtigen Blick auf ein Solarfeld. Über 4.000 Solarmodule wandeln hier das Sonnenlicht in elektrische Energie um. Und was kann man damit machen? Die Antwort darauf verbirgt sich in den silbrig glänzenden Containern zu unserer Linken. Denn die beherbergen Lithium-Ionen- und Redox-Flow-Batteriespeicher, Waben- und Dreiphasen-Methanisierer, PEM- und Dampf-Elektrolyseur und vieles mehr. Gemeinsam sollen sie den Forscherinnen und Forschern helfen, die drängendsten Fragen der Energiewende zu beantworten. Wie schaffen wir es, Energie in Zukunft sauber, nachhaltig und zuverlässig bereitzustellen?

Für uns bleiben die Container heute verschlossen. Die Details hinter den schweren Türen verborgen. Denn der nächste Programmpunkt ruft und unsere Zeit hier ist abgelaufen. Wir lassen das Energy Lab links liegen und eilen weiter.

Kai Dürfeld

 

CO2 in der Atmosphäre – vom Problemstoff zum Wertstoff

Das CO2-Molekül ist überaus stabil. In die Atmosphäre entlassen, ist es dort über mehrere Jahrhunderte hinweg klimaaktiv. Fakt ist: Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre ist von ca. 290 ppm im Jahr 1860 auf inzwischen rund 420 ppm angestiegen. Laut dem internationalen Klimarat IPCC ist für eine CO2-Konzentration um 450 ppm, das heißt von 430 bis 480 ppm, ein Temperaturanstieg von 2 ˚C bis 4 ˚C wahrscheinlich. Kurzum: Um die Energiebilanz der Atmosphäre wieder in einen Bereich zu bringen, dessen Verhalten bekannt ist, wird es nicht ausreichen, nur die CO2-Emissionen zu vermindern. Die Menschheit wird nicht darum herumkommen, CO2 wieder aus der Atmosphäre herauszunehmen.

Technisch möglich ist das. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) befassen sich Wissenschaftler um Benjamin Dietrich, Geschäftsführer des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik, mit der Entwicklung eines neuartigen Verfahrens zur Entfernung des Problemstoffs CO2 aus der Atmosphäre und dessen Umwandlung in Kohlenstoff, einem Wertstoff. Am Projekt NECOC (Negative Emissions Carbon diOxide to Carbon) ist auf Seiten des KIT auch das Karlsruher Flüssigmetalllabor (KALLA) beteiligt sowie die Industriepartner INERATEC und Climeworks Deutschland. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Verbundprojekt mit 1,5 Millionen Euro.

Ziel der Forscher ist es, „negative Emissionen“ zu erzeugen, indem das klimaschädliche CO2 aus der Umgebungsluft gefiltert und in einen stabilen und wirtschaftlich verwertbaren Kohlenstoff umgewandelt wird – in einen Hightech-Rohstoff, der sogar in unterschiedlichen Modifikationen aus dem NECOC-Prozess herauskommen kann. Das Verfahren besteht aus drei Prozessschritten: Im ersten Schritt wird das CO2 aus der Umgebungsluft durch Adsorption abgetrennt (Direct Air Capture, DAD). Im zweiten Schritt wird es in einem mikrostrukturierten Reaktor mit (idealerweise erneuerbar hergestelltem) Wasserstoff zu Methan und Wasser umgesetzt. Im dritten Schritt wird das Methan in einem Flüssigmetall-Blasensäulenreaktor pyrolysiert, das heißt in Wasserstoff und Kohlenstoff zerlegt. Der Kohlenstoff fällt in Form von mikrogranularem Pulver an, während der Wasserstoff vollständig im Prozess rezykliert wird.

In einer ersten Projektphase hat das Forschungsteam eine Versuchsanlage im Containermaßstab aufgebaut, die seit Dezember 2022 in Betrieb ist. Die Anlage kann pro Tag knapp 2 kg CO2 aus der Luft entfernen und daraus 0,5 kg festen Kohlenstoff produzieren. In einer zweiten Projektphase soll das Verfahren energetisch optimiert und skaliert werden.

Angesichts der jährlich in die Atmosphäre emittierten CO2-Mengen – im Jahr 2022 ca. 36,6 Milliarden Tonnen – sind die zwei Kilogramm pro Tag von NECOC nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Aber ein Anfang.

Dieter Beste

 

Kamingespräch mit Prof. Holger Hanselka, Präsident des KIT, Karlsruher Institut für Technologie

Das Kamingespräch nimmt einige aktuelle Entwicklungen am KIT auf. Prof. Hanselka berichtet, dass seit Jahresbeginn die beiden bisher eigenständigen Institutionen Universität und Helmholtz-Forschungszentrum endgültig zu einem Institut verschmolzen sind und keine getrennte Rechtsrahmen mehr hätten. Das KIT habe nun einen einheitlichen Personalkörper, einen einheitlichen Willensbildungsprozess und könne leichter als Bauherr agieren. Lediglich die Geldflüsse seien wegen der unterschiedlichen Quellen (Bund / Land) noch getrennt, würden aber intern organisiert. Hanselka berichtet über den langen Weg, der nicht immer einfach gewesen sei und nennt verschiedene Probleme, die gelöst werden mussten. Das Gespräch behandelt die Vor- und Nachteile der deutschen Besonderheit, dass Universitäten und die großen Forschungseinrichtungen (Fraunhofer, Leibniz, Max-Planck und Helmholtz) meist getrennt voneinander geführt werden.

Das KIT beschäftigt in fünf Standorten etwa 10.000 Menschen, davon 2.000 Post-Docs und wissenschaftlich Beschäftige auf Dauerstellen (mehr als 380 ProfessorInnen). Es bietet 109 Studiengänge an, die in elf Fakultäten gegliedert sind. Die wissenschaftliche Forschung ist in neun Zentren organisiert, relativ neu und als Zukunftsfeld identifiziert, sind die beiden Zentren für Mathematik und Health Technology. Das KIT stellt seine deutsche Sonderstellung als Institut mit sehr hohem Anteil an Forschung mit dem Claim „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ heraus.  Jährlich etwa 50 Ausgründungen aus dem KIT seien eine weitere Besonderheit. Dennoch sei es auch für das KIT schwerer geworden, junge Menschen für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge zu interessieren, verschiedene Projekte sollen die Fächerwahl der Studierenden in diese Richtung motivieren.

Zudem geht es im Kamingespräch um den Einfluss, den Wissenschaft aktuell auf politische Entscheidungen im Bereich Energie und Klimaschutz nehmen könne und wie sich die Situation durch den Regierungswechsel verändert habe. Für das KIT ist Energieforschung von großer Bedeutung, deshalb behandeln viele Fragen neue Technologien zur Energiegewinnung, Antriebsarten und Perspektiven der Kernenergie. Thematisiert wird auch die Rolle des Wissenschaftsjournalismus und der Wissenschaftskommunikation durch die Forschenden für die Entwicklung der Gesellschaft.

Rainer Kurlemann

 

Besuch bei Vulcan Energy – Zero Carbon Lithium 

Wir hätten keine Ahnung und könnten den Lügen der geschulten Propagandisten von Vulcan nichts entgegensetzen – so lautete der Vorwurf von Seiten der Geothermiegegner der Bürgerinitiativen im Gespräch am 20. März. Beweise blieben sie schuldig. So eingestimmt waren die Erwartungen an die Präsentationen von Vulcan-Gründer Dr. Horst Kreuter und weiteren Firmenvertretern hoch. Die 2018 als Ltd von Dr. Francis Wedin und Dr. Kreuter in Perth, Australien, gegründete Gesellschaft ist seit 2019 an der australischen Börse und seit 2022 an der in Frankfurt/M. Sie hat zurzeit etwa 300 Mitarbeiter und betreibt in Insheim ein Geothermiekraftwerk mit einem Pilotprojekt zur Lithiumgewinnung aus Thermalwasser.

Das Potential der Lithiumgewinnung aller Firmen im Oberrheingraben sei hoch, betont Dr. Kreuter, es könnte der Lithiumbedarf für 7-8 Millionen Autobatterien, d.h. für die gesamte deutsche Autobatterieproduktion gedeckt werden. „Die Gewinnung von Lithium aus Thermalwasser ist die umweltfreundlichste Art“, so Kreuter. Vulcan Energy will 2025 mit der kommerziellen Produktion von Lithium beginnen und hat nach eigenen Angaben die erwartete Produktionsmenge für 5 Jahre bereits verkauft. Zudem gäbe es Verhandlungen bzw. Verträge u.a. mit den Stadtwerken Mannheim und dem Opel-Werk in Rüsselsheim zur Wärmeversorgung. Die werde ca. 80% am Umsatz von Vulcan ausmachen, die Lithiumgewinnung 20%.

Die möglichen Risiken, die von der Tiefengeothermie ausgehen können, sehen die Experten von Vulcan Energy wie auch die vom KIT als überschaubar und beherrschbar an. Die Auflagen und die Überwachung durch die Bergbaubehörde wie auch eigenes Controlling und Sensorik würden Gefahren wie seismische Aktivitäten minimieren. Problematischer seien „geothermische Geisterfahrer“ (Kreuter), die, wie im französischen Vendenhein, zu tief, zu schnell und mit zu viel Druck gebohrt und damit ein Erdbeben ausgelöst haben. Vulcan Energy stecke viel Energie in die Öffentlichkeitsarbeit, sei mit einem Infomobil unterwegs, biete Werksbesichtigungen und Beteiligungsworkshops an für eine größtmögliche Transparenz und Aufklärung. Und, so Kreuter, er sehe Erfolge, die Akzeptanz der Tiefengeothermie nehme vor dem Hintergrund der notwendigen Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung zu. „Was wollt ihr sonst machen außer Geothermie?“

Auf wichtige Forschungsfragen verwies in seinem Vortrag Norbert Pralle, Director Geothermics and Innovation. Die Wissenschaftler und Ingenieure von Vulcan Energy suchen Antworten auf Fragen wie die nach den Auswirkungen im Untergrund, wenn kühleres Wasser injiziert wird, sie erforschen optimierte Technologien für die kombinierte Produktion von Wärme und Elektrizität oder die Anforderungen an die notwendigen Datenbanken. Beim Rundgang durch die Anlage in Insheim und das Labor in Karlsruhe Durlach wurden aber auch die Herausforderungen deutlich, vor die sich die Experten von Vulcan Energy gestellt sehen. So ist die Glasröhre für die Lithiumextraktion in der Pilotanlage wenige Zentimeter dick und knapp einen Meter lang. Für die kommerzielle Produktion von Lithium aus Thermalwasser müsse sie dann aber 4 Meter im Durchmesser und 3,5 Meter hoch sein. Das aber scheint das kleinere Problem zu sein. Größer dürften die Anstrengungen sein, die Bevölkerung vom Nutzen und den beherrschbaren Risiken der Tiefengeothermie zu überzeugen.

Thomas Prinzler

Fotocredits: Lynda Lich-Knight, Thomas Prinzler